Baiern

Baiern
Baiern,
 
Bajuwaren, lateinisch Baiovari|i, germanischer Stamm, der sich im 5. und 6. Jahrhundert aus verschiedenen, nach Bayern eingewanderten Bevölkerungsgruppen herausbildete. Während im 4. und 5. Jahrhundert angeworbene Elb-, später Ostgermanen als römische Söldner in den raetischen Donaukastellen (u. a. Neuburg, Günzburg) stationiert waren, ließen sich freie Elbgermanen aus Böhmen (lateinisch Boiohaemum) in großer Zahl nördlich der Donau nieder (»Friedenhain-Přeštovice-Gruppe«). Sie wurden gleichfalls seit dem frühen 5. Jahrhundert von den Römern zum Dienst an der Grenze herangezogen. Nach der Auflösung der römischen Militärorganisation 476 wanderten diese »Boiovarii« nach Südbayern ein. Schon Mitte des 5. Jahrhunderts besiedelten Alemannen das Donautal. Unter Theoderich dem Großen, der als Nachfolger Roms Raetien bis 536 beherrschte, nahm die alemannische Zuwanderung ins heutige Südbayern stark zu. In fränkischer Zeit (nach 536) bildete sich aus den bereits sesshaften elbgermanisch-böhmischen und alemannischen sowie aus neu zugewanderten langobardischen Bevölkerungsteilen der Baiernstamm (um 550 ersterwähnt), wobei die ursprünglich aus Böhmen stammenden »Boiovarii« mit Schwerpunkt um Regensburg namengebend wurden. Reste einer romanischen Vorbevölkerung hielten sich noch lange in den Grenzkastellen und im Alpenvorland (Walchen-Namen).
 
Die Baiern lebten in kleinen Weilern, aber auch in größeren Dörfern (z. B. Kirchheim bei München) an den Rändern der großen Flussauen. Im späten 6. Jahrhundert begann ein stärkerer Landesausbau (»innere Kolonisation«), der bis 800 im Süden die Alpentäler und im Osten den Wienerwald erreichte. Die Grenzen im Westen lagen am Lech, im Nordgau (Oberpfalz) stießen sie an jene der Franken. Beziehungen der bajuwarischen Stammesherzöge, der Agilolfinger (Mitte 6. Jahrhundert bis 788), zum langobardischen Herrscherhaus Ende des 6. Jahrhunderts brachten um 600 erste christliche Missionare aus Aquileja zu den Baiern (Solnhofen); seit dem frühen 7. Jahrhundert setzte die fränkische Mission ein; es entstanden kleine Holzkirchen (Staubing, heute zu Kelheim; Herrsching), die als Eigenkirchen einer nicht sehr zahlreichen adeligen Oberschicht gelten. In der »Lex baiuvariorum« (6. Jahrhundert) werden die vornehmsten dieser Adelsfamilien aufgeführt.
 
Die ländlich-bäuerlichen Grundlagen der heutigen bairischen Volkskultur sind noch erkennbar. In der Tracht mischen sich »Älplerisches« und »Jagerisches« (Lodenjoppe, Lederhose, Hirschhornknöpfe und Gamsbart des Mannes, Dirndl und Lodenkleidung der Frau). Im vielfältigen Brauchtum zeugen u. a. Wallfahrtsritte (Leonhardi- und Georgiritte) und die jährlichen Rennen, z. B. in Rottal, für die Tradition in der Pferdezucht. Für die Volksmusik ist das Jodeln und das mehrstimmige, oft improvisierte Singen (Schnaderhüpferl) mit Zither- und Hackbrettbegleitung kennzeichnend. Bandl-, Holzhacker- und Kronentanz sind neben dem Schuhplattler berühmt. In zahlreichen Bauerntheatern lebt noch das Volksschauspiel des Barock fort. In der Sachkultur äußert sich die Lust an Form, Farbe und Dekor in der Fassaden-, Hinterglas- und Möbelmalerei, im Schmuck besonders der Leitkühe beim Almabtrieb, bei den Festwagen der Leonhardifahrten, in Festtrachten und bei den »Maibäumen«.
 
 
H. Bott: Bajuwar. Schmuck der Agilolfingerzeit (1952);
 J. Werner: Die Herkunft der Bajuwaren u. der »östlich-merowing.« Reihengräberkreis, in: Aus Bayerns Frühzeit. F. Wagner zum 75. Geburtstag, hg. v. J. Werner (1962);
 
Zur Gesch. der Bayern, hg. v. K. Bosl (1965);
 U. Koch: Die Grabfunde der Merowingerzeit aus dem Donautal um Regensburg, 2 Bde. (1968);
 H. Roth: Bajuwaren, in: Reallex. der German. Altertumskunde, Bd. 1 (21973);
 
Hb. der Bayer. Gesch., hg. v. M. Spindler, Bd. 1: Das alte Bayern (31975);
 N. Gockerell: Alte Trachten in Oberbayern u. Tirol (1976);
 K. Reindel: Die Bajuwaren, in: Dt. Archiv für Erforschung des MA., Jg. 37 (1981);
 S. Seidl: Bäuerl. Volkskunst zw. Isar u. Bayer. Wald (1982);
 W. Hartung: Süd-Dtl. in der frühen Merowingerzeit (1983);
 T. Fischer in: Führer zu archäolog. Denkmälern in Dtl., Bd. 5, Tl. 1: Zur Siedlungsgesch. der südl. Frankenalb, des vorderen Bayer. Waldes u. der Donauebene (1984);
 H. Moser: Volksbräuche im geschichtl. Wandel (1985).
 
Zeitschriften: Bayer. Jb. für Volkskunde (1950 ff.);
 
Bayer. Bl. für Volkskunde (1974 ff.).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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